Es war einmal: The Chronicles of Spellborn
In Zeiten immer gleicher MMO-Konzepte sehnen sich viele Spieler nach dem andersartigen Spielerlebnis, das von der erfolgreichen Norm abweicht und in Bereichen überzeugt, die Platzhirsche wie World of Warcraft, EverQuest 2 oder auch das kommende Star Wars: The Old Republic nicht bieten können. Doch ebenfalls gilt: umso größer...
Nur kurze Zeit, nachdem alle europäischen Spieler auf die US-Server übertragen wurden, gab Acclaim Games das Ende des aktiven Spielservice bekannt und stellte mit sofortiger Wirkung allen Support ein. Der Grund: The Chronicles of Spellborn sollte erneut in die Entwicklung geschickt und auf ein Free to Play-Modell umgemodelt werden. David Historian DeWald, der ehemalige Community Manager bei Acclaim Games, in der offiziellen Pressemitteilung über die Situation: "Manchmal passiert es, dass ein großartiges Spiel durch das Raster fällt. Es gibt eine Menge Gründe, die dazu führen, und ich bin mir bewusst, dass jeder seine eigene Meinung zu diesem Thema hat. Ich glaube, The Chronicles of Spellborn war eines dieser Spiele: ein grundsolides MMORPG mit einem besonderen Kampfsystem, das echten Skill erforderte und nicht auf blanken Werten basierte. Wir haben einfach das Gefühl, dass wir nicht alle Spieler erreicht haben. Sie haben nicht erkannt, was Spellborn wirklich war. Diesen Umstand möchten wir nun ändern."
Zu der geplanten Free to Play-Umstellung kam es nie. Zwar liefen die Server noch bis ein Jahr nach Ankündigung, ein glückliches Ende blieb dem MMO des niederländischen Entwicklers allerdings verwehrt. Im letzten halben Jahr vor der endgültigen Schließung der Server im August 2010 lud Acclaim dann den gesamten Unmut der verbliebenen Spielerschaft auf sich. Der über die offizielle US-Webseite herunterladbare Client war von Fehlern durchzogen und sorgte zunehmend dafür, dass die ohnehin schon geringe Bevölkerung nicht weiter anwachsen konnte. Ein dringend nötiger Support für Windows 7 fehlte völlig und über sechs Wochen war ein täglicher Username- und Passwort-Reset notwendig, da sich offenbar ein Fehler in die Datenbank eingeschlichen hatte. Wenige Wochen vor dem Aus stellte Acclaim die Server bereits für einen längeren Zeitraum offline, weshalb viele Fans schon das Ende gekommen sahen, nur um wenige Tage später mit einem erneuten Onlinegang für Verwunderung zu sorgen. Letztlich wurde das Unternehmen von Disney/Playdom aufgekaufte und stellte zum 25. August 2010 alle betriebenen Spiele ein, darunter natürlich auch The Chronicles of Spellborn.
Doch was hob The Chronicles of Spellborn von der Masse ab? Viele Spieler, die in den vergangenen Jahren aktiv auf den Splitterwelten unterwegs waren, dürften einstimmig antworten, dass es vor allem die Welt, ihre vorherrschende Stimmung, Soundkulisse und intelligent geschriebene Questtexte waren, die The Chronicles of Spellborn über die Standardware des Fantasy-Sektors hoben. Andere Spielergruppen würden an dieser Stelle sicherlich behaupten, dass die neuartige Kombinationen von MMO und actionreichem Kampfsystem für ein anderes MMO-Spielerlebnis sorgte. Hakelige Animationen und Charaktermodelle, die einfach nicht so recht zum restlichen Gestaltungsstil passen wollen, trübten das Gesamtbild zwar, ließen sich jedoch leicht mit einem zugedrückten Auge verschmerzen. Schließlich war ersichtlich, dass einige Elemente bei der knapp bemessenen Entwicklungszeit zu kurz gekommen waren und die vorhandenen Ressourcen lieber in Dinge investiert wurden, die spielentscheidend waren.
Was aus dem neuen The Chronicles of Spellborn in der überarbeiteten Free to Play-Version wurde? Frogster Interactive testete das F2P-Modell zwar mit einem japanischen Launch des Spiels, in den Westen - und damit zur Hauptzielgruppe - schaffte es die neue Variante allerdings nie. Einen Grund dafür dürften auch rechtliche Schwierigkeiten mit Lizenzgeber Spellborn NV geliefert haben, die bis heute nicht beigelegt werden konnten. Übrig bleibt ein ambitioniertes - manche mögen auch von überambitioniert sprechen -, etwas anderes und sehr spezielles Online-Rollenspiel aus dem Westen, das viel zu früh das Zeitliche segnen musste und aufgrund der gegebenen Umstände eine sicherlich viel zu kleine Zielgruppe erreicht hat, die letztlich zum Ende und Aus aller Server führte. Mitte 2010 erstarb die Viefalt unter den Fantasy-MMOs damit wieder einmal um ein beträchtliches Maß.